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Rechtsirrtum über Berechtigung zu beharrlicher Arbeitsverweigerung – fristlose Kündigung wirksam?

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer sich auf den Standpunkt gestützt, zurecht die Arbeit verweigert zu haben. Das Interessante an dem Fall war, dass er sich hierüber in einem Rechtsirrtum befand. Er war der Auffassung, dass er zu Recht die Arbeit verweigert. Für die Richter am Bundesarbeitsgericht war dieser Rechtsirrtum keine Entschuldigung: Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen die fristlose Kündigung war ohne Erfolg.

Was war passiert?

Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber stritten sich über die Rahmenbedingungen und Inhalte der Beschäftigung. Der Arbeitnehmer hatte seine Tätigkeit für den Arbeitgeber irgendwann vollständig eingestellt. Er war der Auffassung, dass er aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers nicht verpflichtet sei, für diesen zu arbeiten. Die Fortführung seiner Tätigkeit erachtete er als schlichtweg unzumutbar. Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer wiederholt ab, bevor er die fristlose, außerordentliche Kündigung aussprach.

Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen diese fristlose Kündigung und erhob eine Kündigungsschutzklage.

Wie entschied das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht:

Mit Urteil vom 22.10. 2015 (Az 2AZR 569/14) entschied es, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wirksam, das heißt zu Recht fristlos kündigen durfte, nachdem der Arbeitnehmer beharrlich die Arbeit verweigert hatte. Der Rechtsirrtum des Arbeitnehmers war letztlich ohne Belang. Der Arbeitnehmer hätte nach Auffassung der Richter nur dann die Arbeit beharrlich verweigern dürfen, wenn die Voraussetzungen einer berechtigten Leistungsverweigerung vorgelegen hätten. Hierbei hätte er seine Interessen gegenüber denjenigen des Arbeitgebers abwägen müssen: die Leistungsverweigerung wäre nur dann berechtigt gewesen, wenn es dem Arbeitnehmer unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Leistungserbringung des Arbeitnehmers nicht zugemutet hätte werden können, weiterzuarbeiten.

Der Arbeitnehmer muss nur dann nicht arbeiten, wenn das für ihn in hohem Maße belastend ist. Hieran (das heißt an „die hohe Belastung“) sind jedoch recht strenge Voraussetzungen geknüpft. Es kommt auch nicht auf die subjektiven Wertungen des Arbeitnehmers, sondern auf die objektive Rechtslage an. Der Arbeitsnehmer darf seine Arbeitsleistung zum Beispiel dann verweigern, wenn der Arbeitgeber Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis schuldhaft nicht erfüllt hat und der Arbeitnehmer ihm klargemacht hat, dass er hierauf aber einen Anspruch habe und nicht mehr weite arbeiten werde, wenn die Ansprüche nicht erfüllt werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist, wenn der Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum den Lohn des Arbeitnehmers nicht bezahlt.

Rechtsirrtum des Arbeitnehmers trotz unsicherer Rechtslage ohne Belang

Interessant an dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall war, dass sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsirrtum über die Berechtigung seiner Leistungsverweigerung fand. Der Arbeitnehmer meinte also, es sei völlig berechtigt, dass er die Leistung/die Arbeit verweigere. Das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass dies dem Arbeitnehmer nicht weiterhelfe, denn entscheidend sei nur die objektive Rechtslage und nicht etwa die subjektive Wertung und damit einhergehend etwaiger Rechtsirrtum des Arbeitnehmers.

Das Risiko, es falsch zu beurteilen, ob man die Leistung zu Recht oder zu Unrecht verweigert, trägt somit der Arbeitnehmer. Aus diesem Grunde gab das Bundesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage statt.

Auch der Einwand des Arbeitnehmers, dass die außerordentliche Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoße und die außerordentliche Kündigung daher nach § 134 BGB nichtig sei, half dem Arbeitnehmer nicht weiter. Es komme nur darauf an, ob das Leistungsverweigerungsrecht objektiv tatsächlich bestanden habe, d.h. rechtens war.

Risiko einer unsicheren Rechtslage trägt der Arbeitnehmer

Das Risiko einer unsicheren Rechtslage trägt, wenn es das Leistungsverweigerungsrecht oder aber auch die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers anbetrifft, leider immer der Arbeitnehmer. Daher ist in solchen Fällen Vorsicht geboten. Ein Rechtsirrtum des Arbeitnehmers kann den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährden und eine Abmahnung, eine ordentliche oder gar außerordentliche Kündigung rechtfertigen.


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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.10. 2015 , Az 2 AZR 569/14