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Arbeitgeber zahlt keinen Lohn? Selbstjustiz des Arbeitnehmers rechtfertigt fristlose Kündigung!

Der Arbeitgeber zahlt nicht – der Arbeitnehmer ist verständlicherweise sauer. Aber sind das Lager ausräumen oder Kundengelder einbehalten in solchen Fällen die richtige Reaktion des Arbeitnehmers?

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte im Urteil vom 6. Dezember 2018, AZ. 6 Sa 357/18 darüber zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der angesichts der drohenden Insolvenz des Arbeitgebers und der Nichtzahlung der Löhne Kundengelder einbehalten hatte, wirksam war.

Der Ausgangsfall:

Der Arbeitnehmer war lange Jahre beim Arbeitgeber als LKW-Fahrer tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Barzahlungen der Kunden für die ausgelieferten Bestellungen entgegenzunehmen und beim Arbeitgeber abzugeben.

Der Arbeitgeber zahlte aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit ab dem Monat Februar 2013 keine Gehälter mehr aus. Zudem kündigte er das Arbeitsverhältnis am 26. März 2013 ordentlich zum 31. März 2013 aus betrieblichen Gründen.

Nachdem der Arbeitgeber, nach Ausspruch dieser ordentlichen Kündigung erfuhr, dass der Arbeitnehmer auf seiner letzten Verkaufsfahrt Kundengelder in Höhe von ca. 3.700 € einbehielt und nicht an den Arbeitgeber abgegeben hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 20. April 2013 fristlos.

Der Arbeitnehmer fühlte sich hinsichtlich der einbehaltenen Kundengelder und seiner Selbstjustiz im Recht und erhob eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Köln. Der Arbeitgeber klagte die einbehaltenen 3.700 € widerklagend ein, d.h. er erhob eine Widerklage.

Die Parteien stritten sich in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln, welches dem Arbeitgeber recht gab.

Selbstjustiz des Arbeitnehmers ist ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung

Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass die fristlose Kündigung wirksam ist. Das Verhalten des Arbeitnehmers sei von strafrechtlicher Relevanz. Das Einbehalten der 3.700 € sei eine Unterschlagung und darüber hinaus verbotene Eigenmacht. Das notwendige Vertrauen in ihn sei hierdurch derart zerstört worden, dass dem Arbeitgeber eine weitere Beschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sei.

Der Einwand des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber habe sich doch ebenfalls rechtswidrig verhalten, da er keine Löhne mehr ausgezahlt habe, zudem habe er, der Arbeitnehmer, sich in einer Notlage befunden, überzeugte die Richter nicht. Sie verwiesen ihn darauf, dass er Insolvenzausfallgeld oder eine Gleichwohlgewährung des Arbeitslosengeldes hätte beantragen können anstatt Selbstjustiz zu üben.

Widerklage des Arbeitgebers

Die Selbstjustiz des Arbeitnehmers wurde auch im Hinblick auf die Widerklage des Arbeitgebers bestraft; denn das Landesarbeitsgericht Köln gab der Widerklage des Arbeitgebers statt mit der Folge, dass der Arbeitnehmer die 3.700 € zurück bezahlen musste.

Begründet haben die Richter dies damit, dass sich der Anspruch aus § 862 BGB ergäbe. Die vom Arbeitnehmer angegebene Notlage rechtfertige keine Selbstjustiz, d. h. die verbotene Eigenmacht nicht. Wer etwas aus verbotener Eigenmacht erlangt, muss es gem. § 862 an den Besitzer wieder herausgeben – in diesem Falle zurückzahlen.

Die Tatsache, dass sich der Arbeitgeber selbst rechtswidrig verhalten habe spiele, so die Richter, ebenfalls keine Rolle. Der Arbeitnehmer hätte, wie ausgeführt Insolvenzausfallgeld oder im Zuge der Gleichwohlgewährung Arbeitslosengeld beantragen können.

Fazit:

Kundengelder einbehalten, das Lager ausräumen und dergleichen, wenn der Arbeitgeber den Lohn nicht zahlt? Arbeitnehmer sollten in solchen Fällen keine Selbstjustiz walten lassen, denn anderenfalls riskieren sie eine wirksame fristlose Kündigung und im worst case strafrechtliche Konsequenzen.

Arbeitnehmer sind in solchen Fällen nicht rechtlos gestellt: zahlt der Arbeitgeber keinen Lohn – insbesondere mehr als einen Monatslohn nicht – können sich Arbeitnehmer auf ihr Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung berufen – oder staatliche Leistungen zur Überbrückung finanzieller Notlagen in Anspruch nehmen.


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