Kurzarbeit – darf der Arbeitgeber den Jahresurlaub kürzen?
Viele Unternehmen haben wegen der Corona-Pandemie Kurzarbeit eingeführt. Dem nicht genug: Insbesondere wenn „Kurzarbeit null“ gearbeitet wird, kürzen viele Arbeitgeber den Jahresurlaub. Für Arbeitnehmer ist das unschön.
Der Hintergrund ist aus Arbeitgebersicht verständlich, denn er ist folgender: während des Urlaubs wird der Arbeitnehmer nicht mit Kurzarbeitergeld vergütet. Vielmehr entsteht für die Zeit des Urlaubs ein Anspruch auf ungekürztes Urlaubsentgelt. Anders ausgedrückt wird der Arbeitnehmer während der Zeit des Urlaubs „normal bezahlt“, er erhält kein Kurzarbeitergeld.
Um diese finanzielle Belastung zu vermeiden berufen sich viele Arbeitgeber darauf, berechtigt zu sein, den Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit anteilig oder bei „Kurzarbeit null“ gänzlich zu kürzen.
Aus Sicht der Arbeitnehmer entsteht jedoch spiegelbildlich ebenfalls eine finanzielle Belastung; denn zum einen dient der Urlaub der Erholung zum anderen muss der Urlaub finanziert werden, wofür das Kurzarbeitergeld oftmals nicht reicht.
Dürfen Arbeitgeber den Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit zu Recht kürzen?
Europäischer Gerichtshof sagt: ja
Es gibt Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (EuGH, 8. November 2012, C 229/11, C 230/11), wonach es rechtens ist, dass der Urlaubsanspruch/der Urlaub bei Kurzarbeit gekürzt werden darf. Dies betrifft zumindest den gesetzlichen Mindesturlaub, welcher während der Kurzarbeit anteilig gekürzt werden darf.
Wird also „Kurzarbeit null“ gearbeitet entsteht für die Zeit, in welcher „Kurzarbeit null“ gearbeitet wird, kein Urlaubsanspruch.
Beispiel: von April bis Oktober eines Kalenderjahres (also sechs Monate lang) wird „Kurzarbeit null“ gearbeitet. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt bei einer 5-Tage-Arbeitswoche 20 Arbeitstage Urlaub pro Kalenderjahr, d.h. 1,6 Arbeitstage pro Monat. Dieser Urlaub kann für die sechs Monate, in welchen Kurzarbeit gearbeitet wird, gekürzt werden mit der Folge, dass der Arbeitnehmer, der sechs Monate in „Kurzarbeit null“ ist, nur zehn Arbeitstage Urlaub beanspruchen kann (1,6 Arbeitstage Urlaub pro Monat x6 Monate „Kurzarbeit null“ = 10 Arbeitstage Urlaub Rest). Dies jedenfalls dann, wenn man sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beruft.
Urteile der deutschen Arbeitsgerichte stehen aber noch aus
Allerdings wurden die Urteile des Europäischen Gerichtshofs bisher nicht in nationales, d. h. deutsches Recht umgesetzt. Dies eröffnet aktuell für Arbeitnehmer einen gewissen Argumentationsspielraum. Leider entspricht es jedoch der überwiegenden Rechtsauffassung in der Literatur, dass Arbeitgeber berechtigt sind, den Urlaub während der Kurzarbeit zu kürzen.
Nach deutschem Recht ist jedoch entscheidend, was im Bundesurlaubsgesetz geregelt ist. Darin findet sich keine Regelung, wonach der Urlaub während der Kurzarbeit gekürzt werden darf. Der DGB vertritt in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Auffassung, dass die Planbarkeit und Freizeitgestaltung bei der konjunkturbedingten Kurzarbeit während der Corona-Pandemie in der Regel nicht gegeben sei mit der Folge, dass die Grundsätze, welche der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen aufgestellt habe, nicht übertragbar seien.
Ferner ist umstritten, ob das Recht, den Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit zu kürzen automatisch entsteht oder ob es hierzu einer ausdrücklichen Regelung (im Arbeitsvertrag) bedarf. Ferner ist unklar, ob die Kürzungsmöglichkeit lediglich den gesetzlichen Mindesturlaub oder auch den vertraglichen mehr Urlaub betrifft.
Welche Argumentationsmöglichkeiten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Argumentationsmöglichkeiten für Arbeitgeber
Arbeitgeber können sich im Moment auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berufen. Solange kein deutsches Arbeitsgericht die Entscheidungen des EuGH in deutsches Recht umgesetzt hat bietet sich für Arbeitgeber Argumentationsspielraum, zumal die Literatur sich der Rechtsauffassung des EuGH anschließt.
Argumentationsmöglichkeiten für Arbeitnehmer
Im Umkehrschluss können Arbeitnehmer argumentieren, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde. Ein weiteres wesentliches Argument ist, ob die Kürzungsmöglichkeit automatisch eintritt oder ob die Kürzung nur dann rechtens ist, wenn der Arbeitgeber dies geregelt hat (zum Beispiel im Arbeitsvertrag).
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