Urlaubsabgeltungsanspruch kann bei tariflicher Ausschlussfrist verfallen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2020 (Az. 9 AZR 531/19) klargestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch selbst dann aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen kann, wenn eine Kündigungsschutzklage erhoben wurde.
Was ist ein Urlaubsabgeltungsanspruch?
Verkürzt erklärt: Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht gem. § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht oder nicht vollumfänglich in Anspruch nehmen konnte. Der Urlaub ist dann vom Arbeitgeber abzugelten, d. h. an den Arbeitnehmer auszubezahlen.
Was ist eine Ausschlussfrist?
Es gibt einstufige und zweistufige Ausschlussfristen und nicht jede Ausschlussfrist ist wirksam. Sie kann aber teilwirksam sein. Daher sind Ausschlussfristen „gefährlich“.
Verkürzt erklärt: Vorsicht ist geboten in den Fällen, in denen ein Tarifvertrag anwendbar ist, in dem sogenannte Ausschlussfristen geregelt werden. Ausschlussfristen haben zur Folge, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis- und dazu gehören, wenn sich aus dem Tarifvertrag nichts anderes ergibt, laut BAG auch Urlaubsabgeltungsansprüche – binnen einer bestimmten Frist (zumeist 3 oder 6 Monate nach Fälligkeit des Anspruches) verfallen.
Die Rechtsfolge ist, dass Urlaubsabgeltungsansprüche dann nicht mehr vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden können.
Konkret: Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Unterliegt er einer dreimonatigen tariflichen Ausschlussfrist, so verfällt er 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn er bis dahin nicht vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in Textform (d. h. z. B. E-Mail, Fax, Brief) geltend gemacht wurde.
Wahrung der Ausschlussfrist durch Erheben der Kündigungsschutzklage?
Gerade in Fällen, in denen der Arbeitnehmer gegen die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhebt, muss diese „Gefahr des Anspruchsverfalls“ beachtet werden. Denn wenn sich ein Kündigungsschutzverfahren über einen langen Zeitraum hinweg und insbesondere auch über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweg hinaus hinzieht, droht der Urlaubsabgeltungsanspruch zu verfallen.
Dem kann man natürlich begegnen (siehe unten), man muss es aber beachten.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2020 (Az. 9 AZR 531/19) entschieden, dass eine tarifliche Ausschlussfrist auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch gilt und der Lauf der Frist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnt. Dies selbst dann, wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt im Gerichtsverfahren, d. h. zum Beispiel durch einen vor Gericht geschlossenen Vergleich, feststeht, wann das Arbeitsverhältnis endet.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass es für die Wahrung der Ausschlussfrist nicht genügt, dass die Kündigungsschutzklage erhoben wird. Das BAG hat dies unter anderem damit begründet, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bereits mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Wenn erst im Laufe des Gerichtsverfahrens – zum Beispiel durch einen Vergleich – feststeht, wann das Arbeitsverhältnis endet, ist dies im Hinblick auf die Ausschlussfrist unerheblich.
Das Erheben der Kündigungsschutzklage wahrt nach Auffassung der Richter deshalb nicht die Ausschlussfrist, weil mit einer Kündigungsschutzklage nur solche Ansprüche, welche Ausschlussfristen unterliegen gewahrt werden, die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sind. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht aber erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, er hat mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nichts zu tun.
Gefahr erkannt- Gefahr gebannt
Begegnen kann man dieser Problematik z. B. in zweierlei Hinsicht:
Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann und sollte vom Arbeitnehmer erforderlichenfalls vor Ablauf der Ausschlussfrist klageerweiternd (als sog. Hilfsantrag) geltend gemacht werden. Dies ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn sich abzeichnet, dass das Kündigungsschutzverfahren sich in die Länge zieht und erst weit nach dem Ende der Kündigungsfrist beendet sein wird.
Wird im Kündigungsschutzverfahren ein Vergleich geschlossen, sollten Regelungen zum Urlaub getroffen werden, d. h. das die Urlaubsabgeltungsansprüche unbedingt in diesem Vergleich mitgeregelt werden.
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