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Bindungswirkung eines Zwischenzeugnisses / Widerruf eines Zeugnisses

Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis, so kann er ihm nur ein schlechteres Beendigungszeugnis erteilen, d.h. von der Beurteilung abweichen, wenn die späteren Leistungen oder das spätere Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen.

Der Arbeitgeber kann ein Zeugnis nur dann widerrufen, wenn es wesentliche Unrichtigkeiten enthält. Bei Gefälligkeitszeugnissen ist der Widerruf nur dann möglich, wenn es derart unrichtig ist, dass der Gebrauch des Zeugnisses gegen die guten Sitten verstoßen würde.

Vorab: Was ist der Unterschied zwischen einem qualifizierten Zwischen- und einem Beendigungszeugnis?

Ein qualifiziertes Zwischenzeugnis wird während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ausgestellt. Der Anspruch hierauf ist gesetzlich nicht geregelt. Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber aber um ein qualifiziertes Zwischenzeugnis bitten, wenn er einen triftigen und anzuerkennenden Grund hat.

Beispiele:

  • Abkehrwille oder Bewerbung des Arbeitnehmers,
  • feststehendes Vertragsende wegen Kündigung,
  • Freistellung,
  • Nichtverlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses,
  • Vorgesetztenwechsel.

Der Anspruch auf das Erteilen des qualifizierten Beendigungszeugnisses besteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das ist in § 109 der Gewerbeordnung (GewO) gesetzlich geregelt.

Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses

Der Ausgangsfall: der Arbeitnehmer erhält eine Kündigung. Er bittet den Arbeitgeber um ein qualifiziertes Zwischenzeugnis, da er eine lange Kündigungsfrist hat. Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer ein sehr wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis mit der Note gut. Zeitgleich stellt er den Arbeitnehmer unwiderruflich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Arbeitnehmer war happy.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, d.h. nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangt der Arbeitnehmer ein sogenanntes qualifiziertes Beendigungszeugnis. Darin beurteilt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer plötzlich alles andere als wohlwollend. Der Arbeitgeber versucht quasi, das gute Zeugnis zu revidieren. Der Arbeitnehmer war daraufhin nicht mehr happy. Er klagte die Korrektur des Beendigungszeugnisses vor dem für ihn zuständigen Arbeitsgericht ein. Er beantragte, dass das Beendigungszeugnis auf der Basis des Zwischenzeugnisses erteilt wird. Das Arbeitsgericht gibt ihm recht.

Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein gutes Zwischenzeugnis oder gar ein Gefälligkeitszeugnis erteilt, kann er dem Arbeitnehmer nur dann ein schlechteres Beendigungszeugnis erteilen bzw. das Gefälligkeitszeugnis revidieren, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen. Dies muss der Arbeitgeber im Zweifel beweisen.

Im obigen Ausgangsfall war die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer nach Erhalt des Zwischenzeugnisses nicht mehr gearbeitet hat. Der Arbeitgeber konnte somit seine Arbeitsleistung und sein Verhalten gar nicht mehr anders bewerten als er es bereits im Zwischenzeugnis getan hatte. Bei der Erteilung des Zeugnisses war der Arbeitgeber an den Inhalt des Zwischenzeugnisses gebunden, soweit der zu beurteilenden Zeitraum identisch waren. Das war im Ausgangsfall der Zeitraum bis zur Freistellung. Der Arbeitgeber hatte somit buchstäblich keine Chance, sich zu wehren.

Darf der Arbeitgeber ein Zeugnis widerrufen?

Ein Zeugnis ist eine sogenannte Wissenserklärung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann diese Wissenserklärung anfechten. Diese Möglichkeit besteht insbesondere, wenn dem Arbeitgeber nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Beurteilung des Arbeitnehmers rechtfertigen würden.

Die Beurteilung muss aber derart unrichtig sein, dass sie für einen potentiellen neuen Arbeitgeber bei der Einstellungsentscheidung von wesentlicher, d.h. ausschlaggebender Bedeutung sein könnte. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Zeugnis widerrufen und vom Arbeitnehmer die Herausgabe des alten Zeugnisses Zug um Zug gegen Erteilung eines neuen Zeugnisses verlangen.

Entscheidend ist jedoch, dass diese Tatsachen nachträglich auftreten. Wenn der Arbeitgeber bereits bei Erteilung des Zeugnisses genau weiß, dass er ein zu gutes oder gar Gefälligkeitszeugnis erteilt, ist der Widerruf schwieriger.

Denn: Wenn sich der Arbeitgeber jedoch nicht geirrt hat sondern bewusst ein Gefälligkeitszeugnis erteilt hat, gilt etwas anderes: er kann das Gefälligkeitszeugnis nur dann widerrufen, wenn es derart unrichtig ist, dass es gegen die guten Sitten verstoßen würde, wenn der Arbeitnehmer dieses Zeugnis einem neuen Arbeitgeber vorlegen würde.

Fazit:

Ein gutes Zwischenzeugnis ist für den Arbeitnehmer eine „feine Sache“; denn der Arbeitgeber ist jedenfalls für den Zeitraum, für den er das Zwischenzeugnis erteilt hat, an seine Beurteilung gebunden. Daher ist es immer ratsam, ein Zwischenzeugnis zu verlangen, wenn der Vorgesetzte wechselt oder eine Kündigung ausgesprochen wurde.

Arbeitgeber hingegen müssen vorsichtig sein; denn ist das Zwischenzeugnis oder auch das Beendigungszeugnis erstmal erteilt, ist ein Widerruf der Beurteilung nicht so einfach.


Sie sind Arbeitnehmer oder Arbeitgeber und brauchen rechtliche Unterstützung für Ihr Zwischen- oder Beendigungszeugnis? Rechtsanwältin Dr. Reichert-Hafemeister ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie berät Sie gerne in ihrem Büro in Berlin Lichterfelde – West (Bezirk Steglitz- Zehlendorf, nahe dem Schweizer Viertel). Rufen Sie gerne unter 030 679 665 434 an, um einen Besprechungstermin zu vereinbaren.