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Kein genereller Verfall des Urlaubs bei Langzeiterkrankung

Nicht immer verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch (Mindesturlaub) 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Der den Bezugszeitraum, in dem der Arbeitnehmer noch arbeitete, betreffende Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der im Urlaubsjahr arbeitete und dann bis Jahresende durchgängig erkrankt ist verfällt nur dann, wenn der Arbeitgeber seinen sog. Hinweisobliegenheiten nachgekommen ist. Dies entschied der EUGH am 22. September 2022 (Az. C 518/20) und hat so die Rechte von Langzeiterkrankten gestärkt.

Der EuGH hatte somit darüber zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch auch dann verfällt, wenn

  • Der Arbeitnehmer zunächst im Urlaubsjahr gearbeitet hat, also im Urlaubsjahr Urlaub hätte nehmen können und erst im Laufe des Urlaubsjahres durchgängig bis Jahresende langzeiterkrankte.
  • Der Arbeitgeber diesen Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen hat, wie viele Urlaubstage er beanspruchen kann und dass sein Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres nimmt, der Arbeitnehmer seinen Urlaub mithin hätte nehmen können.

Der EuGH entschied, dass in einem solchen Fall (der Arbeitgeber kam seiner Hinweispflicht nicht nach), der Urlaub aus dem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer gearbeitet hatte, nicht verfällt. Entscheidend ist also, ob der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht (Verfall des Urlaubs) nachkam oder nicht.

Achtung: Arbeitnehmer ist das komplette Urlaubsjahr, also durchgängig erkrankt

Davon differenziert zu betrachten sind Fälle von Arbeitnehmern, welche im Urlaubsjahr nicht gearbeitet haben, d.h. über das gesamte Urlaubsjahr hinweg, d.h. durchgängig („das ganze Jahr“) erkrankt waren und den Urlaub im Urlaubsjahr daher nicht nehmen können. Hier verfällt der gesetzliche Urlaub 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres, selbst wenn der Arbeitgeber der o.g. Hinweispflicht nicht nachkam.

Konsequenz:

Arbeitgebern ist zu empfehlen, so früh wie möglich, d.h. gleich zu Beginn des Urlaubsjahres den Arbeitnehmer darauf hinweisen, wieviel Arbeitstage Urlaub er im Urlaubsjahr hat, dass er ihn rechtzeitig beantragen und bis Jahresende nehmen muss, er anderenfalls verfällt. Ferner sollten Arbeitgeber diesen Hinweis und dass der Arbeitnehmer den Hinweis erhalten hat, dokumentieren.

Dies gilt für den gesetzlichen Mindesturlaub. Hinsichtlich des Verfalls des vertraglichen Mehrurlaubes sind abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag zulässig.

Weiterhin bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des EuGH umsetzt und/oder weiter präzisiert.


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