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Betriebliches Eingliederungsmanagement – Drohung, fristlose Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht hat am 29. Juni 2017, Az.2 AZR 47/16 entschieden, dass eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers wirksam ist, wenn ein Arbeitnehmer bei Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) dem Arbeitgeber droht – in diesem Falle mit Amok und einem Suizid.

Interessant an dieser Entscheidung sind die Aussagen der Richter, dass für den Arbeitnehmer auch bei Durchführung des BEM-Gesprächs Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen.

Ausgangsfall: Arbeitnehmer droht Arbeitgeber während BEM-Gespräch

Nachdem der Kläger in den zurückliegenden zwölf Monaten häufig und insgesamt mehr als 6 Wochen kurzerkrankt war und ihm ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen werden sollte, kam der Arbeitgeber – die Beklagte – ihrer Pflicht aus § 167 SGB IX nach und lud den Kläger zur Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement bzw. insgesamt sogar 2 BEM-Gesprächen ein.

Im Rahmen des zweiten sogenannten BEM-Gesprächs drohte der Kläger mit „Amok“ und Selbstmord. Die daraufhin herbeigerufenen Polizeibeamten wiesen den Kläger in eine psychiatrische Klinik ein. Dort wurde diagnostiziert, dass der Kläger an einer depressiven Verstimmung leide, selbst- oder fremdgefährdende Tendenzen aber ausgeschlossen werden können.

Die Beklagte, d. h. der Arbeitgeber holte für die daraufhin notwendige fristlose Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes ein, welche er auch erhielt.

Gegen die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung erhob der Arbeitnehmer, d. h. der Kläger, fristgemäß eine Kündigungsschutzklage. Anders als das Landesarbeitsgericht wies das Bundesarbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab, d. h. die fristlose Kündigung war wirksam.

Drohung im Rahmen des BEM-Gesprächs wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB

Gem. § 626 BGB kann einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem kündigenden Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Im vorliegenden Fall war zwar der TV-H anwendbar, dessen § 34 aber ebenfalls Rückgriff auf § 626 BGB nimmt, was das Vorliegen eines wichtigen Grundes anbetrifft. Damit einhergehend war die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB zu prüfen.

Das Bundesarbeitsgericht begründete das Vorliegen eines wichtigen Grundes damit, dass ein Arbeitnehmer bei einem BEM-Gespräch zwar nicht um seinen Arbeitsplatz fürchten soll und ihm zugestanden sei, sich in einer Ausnahmesituation zu befinden. Dies im vorliegenden Falle deshalb, weil ihm mitgeteilt wurde, dass der Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeiten in dem vom Kläger gewünschten Arbeitsbereich hatte.

Allerdings habe der Kläger der Beklagten mit Amok und Suizid gedroht, mithin beabsichtigt, Druck aufzubauen, um die Zuweisung der nicht erwünschten Aufgaben zu verhindern. Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib und Leben des Arbeitgebers, Vorgesetzten oder Kollegen, für die kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist, sei bereits an sich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB.

Denn in einem solchen Verhalten liege, so die Richter, eine massive Störung oder jedenfalls konkrete Störung des Betriebsfriedens. Auch während der Durchführung des BEM obliegen, so die Richter, einem Arbeitnehmer Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, sodass er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen muss. Dies habe der Arbeitnehmer/Kläger im vorliegenden Falle durch seine Äußerung und Drohung unterlassen.

Erschwerend komme hinzu, dass der Arbeitnehmer/der Kläger mit seinen Äußerungen habe Druck aufbauen wollen, was das Gewicht der Bedrohung verstärke. Der Arbeitgeber, d. h. die Beklagte, müsse es, so die Richter, nicht hinnehmen, dass der Arbeitnehmer/Kläger darauf abzielt, ihn mit der unverhohlenen Androhung eines Suizids (und Amoks) zu einer Handlung, Duldung oder zu einem Unterlassen zu bestimmen.

Auf die strafrechtliche Relevanz käme es nicht an. Im Wesentlichen begründeten die Richter ihre Entscheidung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB somit damit, dass die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers – der Beklagten – ausfalle.

Fazit

Das interessante an der Entscheidung war unter anderem, dass nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts dem Arbeitnehmer auch bei Durchführung eines BEM- Gespräches, welches für den Arbeitnehmer eine Ausnahmesituation darstellt, Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 BGB) obliegen. Arbeitnehmern ist daher anzuraten, sich auf ein BEM-Gespräch gut vorzubereiten.

Auch wenn der Fall, über welchen das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte, eine Extremsituation darstellt zeigt sich doch die Tendenz, dass Arbeitnehmer beim BEM-Gespräch keinen Druck gegenüber dem Arbeitgeber aufbauen sollten, um ihre Interessen durchzusetzen. Arbeitgebern ist anzuraten, die Einladung zum BEM-Gespräch sorgfältig zu formulieren, sodass alle formalen Anforderungen gewahrt werden.


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