© iStock.com/Mariakray

Keine Verjährung des Urlaubs bei unterlassenem Hinweis

Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern verjähren nur dann, wenn der Arbeitgeber seiner sog. Hinweispflicht nachgekommen ist. Dies hat der EUGH am 22.09.2022, Az C 120/21) entschieden.

Hinweispflicht des Arbeitgebers

Der gesetzliche Urlaubsanspruch (also 20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Urlaubswoche) verfällt 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Bereits im Jahre 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass dies aber nur dann gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den Verfall des Urlaubs hingewiesen hat. D.h. der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer rechtzeitig im Urlaubsjahr darauf hinweisen, dass noch Urlaubsansprüche bestehen und dass er diese im Urlaubsjahr (oder Übertragungszeitraum) nehmen muss, weil sie anderenfalls verfallen. Diese Hinweispflicht gilt gemäß einer Entscheidung des BAG aus dem Jahre 2021 übrigens auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub, z.B. den Zusatzurlaub eines Schwerbehinderten – es sei denn, dem Arbeitgeber war die Schwerbehinderung weder bekannt noch war sie offensichtlich.

Unterlässt der Arbeitgeber diesen Hinweis, verfällt der Urlaub nicht. Konsequenz: Arbeitnehmer können Urlaubstage über Jahre hinweg „anhäufen“ und sich demgemäß noch Jahre später darauf berufen, z.B. nun endlich mal 8 Wochen Resturlaub in Anspruch nehmen zu dürfen. Endet das Arbeitsverhältnis, wird die Abgeltung (Auszahlung) des über Jahre angehäuften, nicht genommenen Urlaubs teuer.

Keine Verjährung des Urlaubsanspruches bei unterlassenem Hinweis

Dieser Problematik (und der Zahlungsforderung eines Arbeitnehmers) begegnete ein Arbeitgeber mit dem Einwand, dass der nicht genommene, angehäufte Urlaub verjährt sei (3-jährige Verjährungsfrist). Leider hatte dieser Einwand keinen Erfolg. Schuld daran ist der EUGH (22.09.2022, Az. C120/21). Das BAG legte den Fall dem EUGH zur Vorabentscheidung vor. Dies mit der Bitte zu klären, ob es aus Gründen des Rechtsfriedens im Einklang mit dem Unionsrecht stehe, dass der Urlaub verjährt, auch wenn der Arbeitgeber den Hinweis auf den Verfall des Urlaubs unterlassen hat.

Der EUGH hat entschieden, dass der Urlaubsanspruch nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber den Hinweis auf den Verfall unterlassen hat. Begründet hat der EUGH dies sinngemäß dahingehend, dass der Arbeitgeber in einem solchen Falle nicht schützenswert sei. Man würde anderenfalls ein Verhalten des Arbeitgebers billigen, das ihn ungerechtfertigt bereichere und die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht schütze. Der unwissende Arbeitnehmer sei als schwächere Parteischützenswerter. Die Verjährungsfrist des Urlaubsanspruchs könne erst dann beginnen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Hinweises des Arbeitgebers, dass noch Urlaubsansprüche bestehen und dass diese verfallen könnten, positive Kenntnis von seinen Ansprüchen habe.


Fazit

Die Konsequenzen können für Arbeitgeber gravierend sein; denn sie sehen sich nun theoretisch Urlaubsansprüchen ihrer Arbeitnehmer ausgesetzt, die z.B. bereits vor 10 Jahren entstanden sind- so sie ihrer Hinweispflicht nicht nachgekommen sind. Dem lässt sich sehr einfach durch entsprechende Hinweise begegnen.

Was können Arbeitgeber tun?

Arbeitgebern ist daher dringend anzuraten, zu prüfen, ob ihre Arbeitnehmer Resturlaubsansprüche aus den Vorjahren haben und ob sie den sog. aktuellen Jahresurlaub bereits genommen haben. Wenn noch Urlaubsansprüche bestehen, sollten die Arbeitnehmer schnellstmöglich darauf hingewiesen, welche Anzahl an Urlaubstagen noch bestehen und aufgefordert werden, den Urlaub im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum zu nehmen. Wichtig ist der Hinweis, dass der Urlaub anderenfalls verfällt. Die Aufforderung und der Hinweis sollten schriftlich und zu Beweiszwecken nachweislich erfolgen.  Die Tatsache, dass die Urlaubsgewährung nicht möglich sei, weil zu viel zu tun sei, schützt den Arbeitgeber nicht. Gerade auch bei Langzeiterkrankten verfällt der nicht genommene Urlaub nicht 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres, wenn der o.g. Hinweis des Arbeitgebers unterlassen wurde. Weiterhin verjährt er bei unterlassenem Hinweis nicht.

Was können Arbeitnehmer tun?

Arbeitnehmer hingegen können -z.B. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses –  die Abgeltung/Auszahlung nicht genommenen Urlaubs geltend machen. Je nach Anzahl der nicht genommenen Urlaubstage kann hier „ein schönes Sümmchen zusammenkommen“. Bei unterlassenem Hinweis des Arbeitgebers auf den Verfall des nicht genommenen Urlaubs ist die Forderung nicht nur auf den während der letzten 3 Jahre nicht genommenen Urlaub beschränkt.


Sie haben Beratungsbedarf zu diesen oder anderen Rechtsfragen? Rechtsanwältin Dr. Reichert -Hafemeister ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und ausschließlich auf die Bearbeitung von Arbeitsrechtsangelegenheiten spezialisiert. Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin in ihrem Büro in Berlin-Lichterfelde West (Telefon:030-679665434). Außerhalb unserer Bürozeiten können Sie den Termin gerne auch über das Kontaktformular anfragen. www.reichert-recht.com