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Nichterscheinen zum Personalgespräch wegen Arbeitsunfähigkeit – Abmahnung rechtswidrig

Das Bundesarbeitsgericht hat am 2. November 2016 entschieden, dass ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen zu einem Personalgespräch erscheinen muss. Damit einhergehend war die Abmahnung, die der Arbeitnehmer erhielt, weil er während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zum Personalgespräch erschien, rechtswidrig. Der Arbeitgeber musste die Abmahnung aus der Personalakte entfernen.

Kein Recht des Arbeitgebers zum Anordnen des Personalgesprächs während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt ist, möchte der Arbeitgeber wissen, ab wann er wieder mit dem Arbeitnehmer rechnen und ihn einplanen kann. Das ist nachvollziehbar. Dennoch hat der Arbeitgeber grundsätzlich kein Recht, einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu beordern.

Keine Arbeitspflicht während Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Die Richter am Bundesarbeitsgericht begründeten dies wie folgt: Ein erkrankter Arbeitnehmer muss während seiner Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen. Er hat keine Arbeitspflicht.

Zu einem Personalgespräch zu erscheinen ist jedoch eine Arbeitspflicht. Wenn der Arbeitnehmer aber gerade keine Arbeitspflicht schuldet, weil er arbeitsunfähig ist, muss er auch nicht zu einem Personalgespräch im Betrieb des Arbeitgebers erscheinen.

Ausnahme: Anordnen des Personalgesprächs während Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers rechtmäßig, wenn aus betrieblichen Gründen unverzichtbar

Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen: Wenn es aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer gesundheitlich hierzu in der Lage ist, darf der Arbeitgeber ein Personalgespräch im Betrieb anordnen. Dann muss der Arbeitnehmer auch zum Personalgespräch im Betrieb des Arbeitgebers erscheinen. Erscheint er nicht, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen.

Allerdings ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass es aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist, dass der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit im Betrieb erscheint.

Kontaktaufnahme während Arbeitsunfähigkeit bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers gestattet

Für Arbeitgeber ist es oft eine schwierige Situation, wenn sie nicht wissen, ab wann sie den Arbeitnehmer wieder einplanen können. Dies insbesondere dann, wenn sie kein Personalgespräch anordnen dürfen, um dies in Erfahrung zu bringen. Die Richter am Bundesarbeitsgericht entschieden in diesem Zusammenhang daher Folgendes: Wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat, ist es ihm gestattet, in angemessenem Umfang mit dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer in Kontakt zu treten um z. B. zu klären, wie er ihn nach Ende der Arbeitsunfähigkeit beschäftigen kann.

Dieses in Kontakt treten bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch im Betrieb des Arbeitgebers erscheinen muss. Es öffnet dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit, den Arbeitnehmer per Brief, E-Mail oder gegebenenfalls auch telefonisch entsprechend zu kontaktieren. Entscheidend ist jedoch, dass der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat und dass die Kontaktaufnahme begrenzt ist.

Liegt kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers hierfür vor, muss der arbeitsunfähige Arbeitnehmer auf die Anfrage des Arbeitgebers nicht reagieren. Arbeitsrechtliche Konsequenzen wie etwa eine Abmahnung oder Kündigung wären rechtswidrig.


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Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 59/16 vom 2. November 2016, Aktenzeichen des Bundesarbeitsgerichts: 10 AZR 596/15