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Vergleichsverhandlungen hemmen gerichtliche Ausschlussfrist

In Arbeitsverträgen sind häufig sogenannte Ausschlussfristen geregelt. Diese besagen, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist außergerichtlich oder gar gerichtlich geltend gemacht werden muss, andernfalls verfällt der Anspruch.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der spannenden Frage zu befassen, ob die sogenannten gerichtlichen Ausschlussfristen wegen Vergleichsverhandlungen gehemmt sind und Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis trotz der Ausschlussfrist nach Ende der Vergleichsverhandlungen noch geltend gemacht werden können.

Erfreulicherweise kam das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2018 zu dem Ergebnis, dass Vergleichsverhandlungen die im Arbeitsvertrag geregelten Ausschlussfristen hemmen mit der Folge, dass die Ansprüche nicht verfallen waren sondern noch wirksam eingeklagt werden konnten (vgl. Pressemitteilung Nr. 32/2018 zum Urteil des BAG vom 20. Juni 2018, Az: 5 AZR 262/17).

Der Fall:

Das Arbeitsverhältnis des Klägers – einem technischen Sachbearbeiter – endete am 31. Juli 2015. In seinem Arbeitsvertrag war eine Ausschlussklausel enthalten. Diese regelte, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht und bei Ablehnung innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bei Gericht rechtshängig gemacht werden müssen (gerichtlich geltend gemacht werden müssen), ansonsten verfallen sie.

Dem Kläger, d. h. dem Arbeitnehmer, fiel im September 2015 siedend heiß ein, dass er 32 Arbeitstage Resturlaub hat, die er abgegolten haben wollte. Gleiches galt für 182 geleistete Überstunden. Er beauftragte sofort den Fachanwalt für Arbeitsrecht seines Vertrauens, der die Gegenseite umgehend, d. h. mit Schreiben vom 14. September 2015 aufforderte, die Ansprüche zu begleichen.

Die Gegenseite tat sich mit den Ansprüchen schwer. In der Folgezeit führten die Rechtsanwälte daher intensive Vergleichsverhandlungen, die jedoch am 25. November 2015 scheiterten.

Der Kläger, d. h. der Arbeitnehmer, erhob am 21. Januar 2016 eine Klage, mit der er seine Urlaubsabgeltungs- und Überstundenvergütungsansprüche geltend machte. Das Bundesarbeitsgericht hatte zu prüfen, ob die Ansprüche aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten gerichtlichen Ausschlussklausel verfallen waren.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Der Arbeitnehmer hatte Glück, denn die Richter gaben ihm recht; sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Ansprüche nicht verfallen waren, obwohl der Kläger, d. h. der Arbeitnehmer, sie später als binnen drei Monaten, nachdem die Gegenseite die Zahlung der Ansprüche abgelehnt hatte (im September 2015) gerichtlich geltend gemacht hatte.

Entscheidend war für die Richter, dass sich die Parteien von September 2015 bis November 2015 in Vergleichsverhandlungen befanden. Sie waren der Auffassung, dass die dreimonatige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Ansprüche gerichtlich hätten geltend gemacht werden müssen (im Falle des Klägers wäre das im Dezember 2015 der Fall gewesen, d. h. 3 Monate nach Ablehnung der Ansprüche durch den Gegner), gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt war. Dies bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen geführt wurden, nicht in den Zeitraum, innerhalb derer die 3-monatige Ausschlussfrist lief, eingerechnet wurde (vgl. § 209 BGB).

Folglich waren die Ansprüche noch nicht verfallen, als der Kläger im Januar 2016 Klage erhob.

Fazit:

Interessant ist an dieser Entscheidung, dass § 203 Satz 1 BGB dem Wortlaut nach die Verjährung von Ansprüchen bei Verhandlungen hemmt. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass Verhandlungen nicht lediglich die Verjährung von Ansprüchen sondern auch den Verfall von Ansprüchen hemmt, so im Arbeitsvertrag Ausschlussfristen geregelt sind, binnen derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtlich geltend gemacht werden müssen.

Aber Vorsicht: in einem Arbeitsvertrag können sogenannte einstufige oder aber auch sogenannte zweistufige Ausschlussfristen vereinbart werden.

Einstufige Ausschlussfristen

bedeuten kurz gefasst, dass die Ansprüche binnen drei Monaten (z. B. ab Fälligkeit) außergerichtlich gegenüber dem Gegner geltend gemacht werden müssen, anderenfalls verfallen sie.

Zweistufige Ausschlussfristen

bedeuten kurz gefasst, dass sie zunächst binnen drei Monaten außergerichtlich gegenüber dem Gegner geltend gemacht werden müssen (Stufe 1). Lehnt der Gegner die Ansprüche ab, so müssen Sie binnen einer Frist von drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden (2. Stufe), anderenfalls verfallen sie.

In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2018 ging es ausschließlich um die sogenannte zweite Stufe der Ausschlussfristen, d. h. das gerichtliche Geltendmachen von Ansprüchen.

Manchmal dauern Vergleichsverhandlungen sehr lange, bis sie scheitern. Dies ist aufgrund der vorgenannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf gerichtliche Ausschlussfristen unschädlich. Denn selbst wenn die Vergleichsverhandlungen Monate lang andauern ändert das nichts an der Tatsache, dass die Ansprüche trotz der im Arbeitsvertrag vereinbarten gerichtlichen Ausschlussfrist noch eingeklagt werden können und nicht verfallen sind.


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