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Zugang einer am Nachmittag in den Hausbriefkasten eingeworfenen Kündigung

Der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung ist entscheidend dafür, wann der Lauf der Frist für das Erheben der Kündigungsschutzklage beginnt. Eine Kündigungsschutzklage ist binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht einzureichen (rechtshängig zu machen).

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Urteil vom 20. August 2019, Az. 2 AZR 111/19 darüber zu entscheiden, wann die Kündigung dem Kläger zugegangen war. Damit einhergehend entschied es, ob der Kläger noch fristgemäß innerhalb der drei Wochen-Frist die Kündigungsschutzklage erhoben hat oder ob die Kündigungsschutzklage verfristet war. Die Kündigung wurde an einem Nachmittag in den Hausbriefkasten eingeworfen.

Der Fall:

Der (deutsche) Arbeitgeber, d.h. die Beklagte, hat die außerordentliche, fristlose Kündigung am Freitag, den 27. Januar 2017 gegen 13:25 Uhr durch einen Boten in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers, d.h. des Klägers, eingeworfen. Der Arbeitnehmer (Kläger) lebt in Frankreich an der deutsch-französischen Grenze. Üblicherweise wurde bei ihm die Post bis spätestens 11:00 Uhr eines jeweiligen Vormittags zugestellt. Daher schaute er wohl erst am Samstag, den 28. Januar 2017 wieder in seinen Briefkasten.

Am Montag, 20. Februar 2017, also 3 Wochen nach dem 28. Januar 2017, erhob er die Kündigungsschutzklage. Wenn ihm die Kündigung am 28. Januar 2017 zugegangen ist war dies noch innerhalb der Dreiwochenfrist. Ist sie ihm jedoch bereits am Freitag, den 27. Januar 2017 zugegangen, erfolgte sie nicht mehr innerhalb der Dreiwochenfrist und war verfristet.

Möglichkeit der Kenntnisnahme: Tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers über die Kündigung

Eine Kündigung stellt eine sogenannte verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden dar. Sie geht dem Arbeitnehmer zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers (Arbeitnehmers) gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Wird einem Arbeitnehmer eine Kündigung in den Briefkasten eingeworfen, geht sie ihm somit zu, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme /Leerung des Briefkastens zu rechnen ist. Und genau das war der Knackpunkt des Falles, über welchen das Bundesarbeitsgericht am 20. August 2019 zu entscheiden hatte. Wann war im Falle des Klägers nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme, d. h. Leerung des Briefkastens zu rechnen?

  • War damit noch am Nachmittag des 27. Januar 2017 zu rechnen oder
  • erst wieder am 28. Januar 2017?

Allgemeine Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der konkreten Gepflogenheiten am Zugangsort

Der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, wonach mit einer Leerung des Hausbriefkastens generell noch bis 17:00 Uhr eines jeweiligen Tages gerechnet werden könne, folgten die Richter am Bundesarbeitsgericht nicht. Auf die üblichen Arbeitszeiten der Bevölkerung kam es nach Ansicht der Richter am Bundesarbeitsgericht ebenfalls nicht an. Vielmehr waren sie der Auffassung, dass die individuellen Postzustellungszeiten am jeweiligen Zustellungsort genauso zu berücksichtigen seien wie die Tatsache, dass es ganz unterschiedliche Arbeitszeitmodelle gibt (Teilzeit, flexible Arbeitszeitmodelle).

Im Falle des Klägers kam ferner die Besonderheit hinzu, dass dieser im Elsass, d. h. in Frankreich wohnte und damit einhergehend die dortigen individuellen Gepflogenheiten im Hinblick auf Postzustellung zu berücksichtigen waren. Mit einer Leerung des Hausbriefkastens um 17:00 Uhr sei jedenfalls in der pauschalierten Feststellung der Vorinstanzen nicht zu rechnen gewesen.

Der Arbeitgeber, d. h. die Beklagte, muss nun vielmehr darlegen und beweisen, wann das Kündigungsschreiben dem Kläger unter Berücksichtigung von Vorstehenden zugegangen war. Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren somit an das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen, einige sogenannte Auflagen erteilt mit dem Ziel, dass dort aufgeklärt wird, wie sich im Falle des Klägers die individuellen Postzustellungszeiten gestalten.

Je nach Ergebnis dieser Klärung gilt die Kündigung dem Kläger am 27. Januar 2017 oder eben am 28. Januar 2017 als zugestellt mit der Folge, dass die Kündigungsschutzklage entweder verfristet war oder noch fristgemäß beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht rechtshängig gemacht wurde

Fazit:

Arbeitgebern ist anzuraten, Kündigungen nicht am letztmöglichen Tag zuzustellen. Für den Fall, dass es tatsächlich eine Zustellung der Kündigung am letztmöglichen Tag erfolgt, sollten Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass ein Bote die Kündigung möglichst am frühen Vormittag in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwirft.


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