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Einwurf-Einschreiben beweist nicht den Zugang der Kündigung

Das Arbeitsgericht Reutlingen hat am 19. März 2019 (Az: 7 Ca 89/19) entschieden, dass der Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg eines Einwurfeinschreibens, mit dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Kündigung zugestellt hat, nicht den rechtzeitigen Zugang der Kündigung beweist.

Die Folge war, dass das Arbeitsverhältnis mangels Zugang des Kündigungsschreibens nicht beendet wurde.

Der Ausgangsfall:

Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 19. Juni 2017 das zwischen ihm und dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31. Juli 2017. Der Arbeitnehmer behauptete, dass ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen sei, mithin das Arbeitsverhältnis nicht durch das Kündigungsschreiben beendet worden sei. Er erhob eine Kündigungsschutzklage – die Richter gaben der Klage statt.

Der Arbeitgeber ist darlegungs- und beweisbelastet für den Zugang des Kündigungsschreibens

Ein Kündigungsschreiben geht dem Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt zu, an welchem es in verkehrsüblicher Weise in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt ist und für ihn unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (sogenannter Zugang einer unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer per Einwurfeinschreiben zugestellt. Der Arbeitgeber ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zuging. Im Kündigungsschutzverfahren legte er daher als Beweis dafür, dass dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben auch tatsächlich zugegangen ist, den Einlieferungsbeleg vom 28. Juni 2017 vor, sowie den Auslieferungsbeleg, wonach dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben am 29. Juni 2017 zugestellt worden sein soll.

Das Arbeitsgericht Reutlingen war der Auffassung, dass die Vorlage des Einlieferungs- und Auslieferungsbeleges eines Einwurfeinschreibens keinen sogenannten Anscheinsbeweis für den Zugang des Kündigungsschreibens begründet.

Das heißt: der Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg ist kein ausreichendes Beweismittel. Begründet haben die Richter dies unter anderem damit, dass Erfahrungen im Gerichtsalltag als auch im privaten Bereich zeigten, dass Postzustellungen nicht selten nicht zugestellt würden, oder Abläufe nicht zutreffend dokumentiert würden. Das damit einhergehende Risiko könne nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden, wenn der Arbeitgeber als Zustellart das Einwurfeinschreiben gewählt hat.

Denn, so die Richter, der Arbeitnehmer kann keinen Nachweis dafür führen, dass ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen ist. Er hat zudem keinen Einfluss auf die Wahl der Zustellungsart (also wie der Arbeitgeber ihm das Kündigungsschreiben zustellt). Der Arbeitgeber hingegen könne das Risiko, dass ein Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer nicht zugeht dadurch vermeiden, dass er eine andere Zustellungsvariante (zum Beispiel den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten des Arbeitnehmers durch einen Boten/Zeugen, die persönliche Übergabe an den Arbeitnehmer unter Hinzuziehung eines Zeugen) wählt.

Daher könne – so die Richter – allein durch die Vorlage des Einlieferungs- und Auslieferungsbelegs der Deutschen Post AG kein Nachweis für den Zugang einer Kündigung geführt werden.

Fazit:

Der Arbeitnehmer hatte Glück, seiner Kündigungsschutzklage wurde stattgegeben, das Arbeitsverhältnis bestand weiter fort. Dadurch, dass der Arbeitgeber nicht beweisen konnte, dass dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen war, wurde das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet. Denn ohne Zugang eines Kündigungsschreibens kann ein Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet werden. Für den Zugang des Kündigungsschreibens ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.

Arbeitgebern ist daher dringend anzuraten, von einer Zustellung einer Kündigung per Einwurfeinschreiben abzusehen. Eine persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens im Beisein eines Zeugen oder der Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten des Arbeitnehmers durch einen Boten, der als Zeuge benannt werden kann, ist eine deutlich sicherere Zustellungsvariante.


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