Familiäre Belange retten bei Zuspätkommen vor verhaltensbedingter Kündigung
Das Landesarbeitsgericht Köln hat am 27. Februar 2015 (Az: 9 Sa 696/14) ein familienfreundliches Urteil gefällt. Der Arbeitgeber hatte der häufig zu spät kommenden Arbeitnehmerin ordentlich, verhaltensbedingt gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Köln war der Auffassung, dass diese ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt und daher wirksam war. Es gab der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin statt.
Der Ausgangsfall
Die Arbeitnehmerin war zuletzt nach der Elternzeit auf der Basis von 20 Wochenstunden bei der Arbeitgeberin (einem Autohaus) tätig. Der Arbeitgeber ordnete an, dass die Arbeitnehmerin in der sogenannten Frühannahme für Fahrzeuge eingesetzt werden sollte. Die Arbeitszeit lag daher zwischen 7:00 Uhr und 11:00 Uhr. Der Arbeitnehmerin war ein Arbeitsbeginn um 7:00 Uhr nicht möglich, da sie um diese Zeit keine Betreuung für ihre noch kleinen Kinder hatte. Dies teilte sie dem Arbeitgeber und auch dem Betriebsrat mit und bat darum, frühestens um 7:45 Uhr zur Arbeit erscheinen zu dürfen. Der Arbeitgeber ignorierte diesen Wunsch.
Nachdem die Arbeitnehmerin an drei Tagen 20 – 30 Minuten zu spät zur Arbeit gekommen war, mahnte er sie ab. Nachdem sie nochmals zu spät kam, kündigte er das Arbeitsverhältnis ordentlich, verhaltensbedingt. Die Arbeitnehmerin erhob mit Erfolg eine Kündigungsschutzklage.
Landesarbeitsgericht berücksichtigte familiäre Belange der Arbeitnehmerin
Normalerweise verletzt ein Arbeitnehmer, schuldhaft und beharrlich seine Arbeitspflicht, wenn er häufig zu spät kommt. Im Falle der Arbeitnehmerin stellte sich das Landesarbeitsgericht jedoch die Frage, ob diese bereits schuldhaft und beharrlich ihre Arbeitspflicht verletzt habe; schließlich habe sie sich ja zuvor um eine Verschiebung des Arbeitsbeginns bemüht. Zudem lag der Grund für ihr Zuspätkommen darin, dass sie für ihre Kinder vor 7:00 Uhr keine Kinderbetreuung hatte.
Hinzu kam, dass die Anordnung der Arbeitszeit ab 7:00 Uhr nicht billigem Ermessen entsprach. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer neue Arbeitszeiten im Rahmen seines Direktionsrechts zu, so muss er hierbei auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen und nicht nur seine eigenen.
Im Falle der Arbeitnehmerin musste er daher deren Pflichtenkollision wegen der Personensorge (Kinderbetreuung) berücksichtigen, d. h. der Arbeitgeber durfte bereits nicht wirksam den Arbeitsbeginn ab 7:00 Uhr anordnen. Demzufolge bestand auch keine Pflichtverletzung seitens der Arbeitnehmerin. Die Klägerin hatte das Recht, ihre Leistung, d. h. den Arbeitsbeginn ab 7:00 Uhr zu verweigern, da ihr dies wegen der Personensorge für ihre Kinder unmöglich war. Ein Arbeitsbeginn ab 7:00 Uhr hätte sie in eine unverschuldete Notlage gebracht.
Bei der Prüfung, ob eine Kündigung wirksam ist oder nicht, werden zudem immer die sogenannten Interessen des Arbeitgebers gegenüber denjenigen des Arbeitnehmers abgewogen. Die Richter waren im Falle der Arbeitnehmerin der Auffassung, dass die familiären Belange der Arbeitnehmerin in diesem Einzelfall die Interessen des Arbeitgebers an einem Arbeitsbeginn ab 7:00 Uhr morgens überwogen haben. Daher kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt und somit unwirksam war.
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