Alkoholabhängiger Arbeitnehmer – personenbedingte ordentliche Kündigung wirksam?
Ob eine ordentliche Kündigung eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers eine personen- oder jedoch eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt hängt zunächst davon ab, ob der Arbeitnehmer alkoholabhängig ist oder lediglich ab und an alkoholisiert am Arbeitsplatz ist.
Eine Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Daher ist eine ordentliche, personenbedingte Kündigung nur dann wirksam, wenn die Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung vorliegen. Wenn der Arbeitnehmer lediglich ab und an alkoholisiert am Arbeitsplatz ist, nicht jedoch alkoholabhängig ist, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.
Wann ist der Arbeitnehmer alkoholabhängig mit der Folge, dass die Grundsätze der personenbedingten Kündigung anwendbar sind?
Alkoholabhängig ist der Arbeitnehmer dann, wenn er seinen übermäßigen, regelmäßigen Alkoholgenuss trotz besserer Einsicht nicht aufgeben oder reduzieren kann.
Voraussetzungen für eine wirksame personenbedingte Kündigung:
- Es muss in der Vergangenheit wegen der Alkoholabhängigkeit zu erheblichen betrieblichen Störungen gekommen sein.
- Es muss eine sogenannte negative Prognose vorliegen.
- Ein milderes Mittel als der Ausspruch der Kündigung darf nicht gegeben sein (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
Was ist eine so genannte negative Prognose?
Bevor ein Arbeitgeber eine krankheitsbedingte, ordentliche Kündigung ausspricht, muss er für die Zukunft z. B. prognostizieren, ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht dazu in der Lage sein wird, seiner Arbeit nachzugehen oder aber von der Alkoholsucht geheilt sein wird. Kommt der Arbeitgeber zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer weder seiner Arbeit nachgehen kann noch von der Alkoholsucht geheilt sein wird, ist die sogenannte negative Prognose erfüllt.
Vor Ausspruch einer krankheitsbedingten, d. h. personenbedingten ordentlichen Kündigung gegenüber einem alkoholkranken Arbeitnehmer steht im Rahmen der sog. negativen Prognose oftmals das Thema Entziehungskur im Raum. Hierbei ist zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer therapiewillig – oder unwillig ist. Der Arbeitgeber ist – allerdings wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung eine Entziehungskur zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er von der Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers Kenntnis hat.
Lehnt der Arbeitnehmer die Entziehungskur ab, ist die so genannte negative Prognose erfüllt; denn der Arbeitgeber kann dann davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer von seiner Krankheit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird.
Überlegt es sich der alkoholkranke Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung anders und teilt dies dem Arbeitgeber mit oder begibt sich erst nach Ausspruch der Kündigung in Therapie, so bewirkt dies leider keine Korrektur der so genannten negativen Prognose. D. h., seine Reue „rettet die Kündigung nicht“.
Wird der Alkoholiker nach einer zunächst erfolgreichen Entziehungskur rückfällig, so rechtfertigt dies keine verhaltensbedingte Kündigung. Bei einer Suchterkrankung ist ein Rückfall immer möglich. Den suchtkranken Alkoholiker wird daher kein Verschulden an dem Rückfall zugerechnet, weshalb der Arbeitgeber grundsätzlich keine wirksame verhaltensbedingte Kündigung aussprechen kann.
Muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der personenbedingten Kündigung eines alkoholkranken Arbeitnehmers ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen (beM) oder ist das wegen des Krankheitsbildes generell überflüssig?
Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, vor Ausspruch einer krankheitsbedingten, personenbedingten Kündigung ein beM durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erfüllt sind. Der Arbeitgeber muss hiernach das beM durchführen, wenn ein Arbeitnehmer in den zurückliegenden zwölf Monaten sechs Wochen „am Stück“ (d.h. ununterbrochen) oder auch mit Unterbrechungen arbeitsunfähig erkrankt war.
Der Arbeitgeber ist hingegen nicht verpflichtet, das beM vor Ausspruch der Kündigung durchzuführen, wenn sich dieses wegen des Krankheitsbildes generell als überflüssig darstellt. Dies kann insbesondere bei einem therapieunwilligen alkoholkranken Arbeitnehmer der Fall sein.
Personenbedingte, ordentliche Kündigung als Ultima Ratio
Bevor der Arbeitgeber eine ordentliche, personenbedingte Kündigung ausspricht, muss er prüfen, ob es ein milderes Mittel als die Kündigung gibt.
Abmahnung als milderes Mittel? Vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung ist keine Abmahnung notwendig. Eine Abmahnung ist grundsätzlich nur vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung geboten.
Der Arbeitgeber ist jedoch gehalten, nach einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit des alkoholkranken Arbeitnehmers zu suchen. Ist ihm diese nicht möglich oder nicht zumutbar, überwiegt sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung.
Was ist anzuraten?
Einen generellen Tipp kann weder Arbeitnehmern noch Arbeitgebern gegeben werden. Es kommt immer auf die Einzelfallumstände an.
Arbeitnehmern ist jedoch grundsätzlich anzuraten, sich sowohl therapiewillig zu zeigen als auch an einem beM teilzunehmen – wenn der Arbeitgeber dieses anbietet.
Arbeitgebern ist grundsätzlich anzuraten, dem alkoholkranken Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Entziehungskur zu ermöglichen und bei vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu prüfen, ob die Durchführung eines beM Erfolg versprechend wäre.
Bei Beratungsbedarf im Rahmen einer personenbedingten Kündigung können Sie sich gerne an Rechtsanwältin Dr. Reichert-Hafemeister wenden. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und vertritt Sie auch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens.
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