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Krankheit – kein Kündigungsgrund?

Eine krankheitsbedingte Kündigung kennt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Dennoch kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen, wenn dieser krank ist. Das ist aber (von tarifvertraglichen Regelungen abgesehen) nur unter bestimmten Voraussetzungen als sog. personenbedingte Kündigung (§ 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes) möglich.

Krankheitsbedingte Kündigungen sind dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr fähig oder geeignet ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Welche Art krankheitsbedingter (personenbedingter) Kündigungen gibt es?

Es gibt krankheits-, d. h. personenbedingte Kündigungen wegen

  • lang andauernder Leistungsunfähigkeit (lang anhaltenden Krankheiten)
  • häufigen Kurzerkrankungen
  • dauerhafter Leistungsunfähigkeit in Folge der Krankheit

Wann ist eine krankheitsbedingte, ordentliche Kündigung möglich?

Eine krankheitsbedingte, ordentliche Kündigung kann bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vom Arbeitgeber nur dann wirksam ausgesprochen werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Arbeitnehmer kann infolge der Krankheit die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erbringen
  • Dies wird auch zukünftig so bleiben (sog. negative Prognose)
  • Der Arbeitgeber wird in seinen betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen erheblich beeinträchtigt, etwa, weil z.B. hohe Lohnfortzahlungskosten auftraten und auftreten werden
  • Eine Versetzung des Arbeitnehmers auf einen sog. leidensgerechten, anderen Arbeitsplatz ist nicht möglich
  • Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses

Kann man auch fristlos gekündigt werden, wenn man krank ist?

Eine krankheitsbedingte Kündigung wird in der Regel als ordentliche, personenbedingte Kündigung ausgesprochen. Eine außerordentliche, d.h. fristlose Kündigung wegen Krankheit ist der Ausnahmefall – etwa wenn eine ordentliche Kündigung durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen ist.

Was ist eine negative Prognose?

Die negative Prognose ist eine Art Zukunftsprognose. Wenn zukünftig zu erwarten steht, dass der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig oder häufig arbeitsunfähig sein wird oder die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung gar nicht mehr erbringen kann, ist die negative Prognose erfüllt.

Der Arbeitgeber muss hierfür keine Nachforschungen über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers anstellen. Allein der objektive (Gesundheits-) Zustand des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist entscheidend. Der Arbeitnehmer ist auch weder von sich aus noch auf Anfrage des Arbeitgebers verpflichtet, über seinen Gesundheitszustand Auskunft zu erteilen. Steht jedoch fest, dass der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig sein wird, ist es ratsam, wenn er hierüber dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vorlegt und/oder seinen Arzt von der Schweigepflicht entbindet.

Wann kann ich wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden?

In der Regel wird eine solche Kündigung von den Gerichten erst dann als wirksam angesehen, wenn der Arbeitnehmer:

  • über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlungen von mehr als sechs Wochen in Anspruch genommen hat.
  • Hinzukommen muss, dass anzunehmen ist, dass sich hieran in Zukunft nichts ändern  wird (negative Prognose).

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat am 14. August 2014 entschieden, dass bei prognostizierten Arbeitsunfähigkeitszeiten von 17,4 Wochen im Jahr und Entgeltfortzahlungskosten für 14,7 Wochen im Jahr jedenfalls keine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist (LAG Berlin-Brandenburg , 14. August 2014, Az: 15 Sa 825/13).

Was bedeutet betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)?

Wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres (d.h. in den letzten zwölf Kalendermonaten) länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, muss der Arbeitgeber die Durchführung des BEM anbieten. Das ist in § 84 Abs. 2 SGB IX gesetzlich geregelt und gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer schwerbehindert ist und auch unabhängig von der Betriebsgröße. Ziel des BEM ist es, Lösungen zu finden, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden und zukünftig zu vermeiden.

Kann der Arbeitgeber auch kündigen, wenn er das BEM unterlassen hat?

Ja – allerdings prüft das Arbeitsgericht dann sehr streng, ob es wirklich keinen anderen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz gibt. Der Arbeitgeber muss das darlegen und beweisen.

Hat der Arbeitgeber allerdings dem Arbeitnehmer das BEM angeboten und hat der Arbeitnehmer dieses abgelehnt, trifft den Arbeitgeber diese strenge Darlegungs- und Beweislast nicht.

Muss mich der Arbeitgeber abmahnen, wenn ich krank bin?

In den meisten Fällen kann man es nicht steuern, dass man krank wird. Daher muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht abmahnen, bevor er kündigt.

Was mache ich, wenn ich wegen meiner Krankheit gekündigt wurde?

Wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (d.h., wenn Sie länger als sechs Monate beim Arbeitgeber gearbeitet haben und dort mehr als 10 Arbeitnehmer tätig sind) können Sie eine Kündigungsschutzklage erheben. Dies ist binnen 3 Wochen ab Erhalt (Zugang) der Kündigung möglich (danach ist das nicht mehr möglich). Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die oben genannten Kriterien erfüllt sind. Nur dann ist die Kündigung wirksam.Natürlich können Sie mit Ihrem Arbeitgeber nach Erhalt der Kündigung auch einen sog. Abwicklungsvertrag schließen. Darin kann man regeln, dass Sie für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten. Ferner kann man z.B. Regelungen zur Freistellung, zur Abgeltung des Resturlaubs und zum Zeugnis treffen.


Arbeitgeber: Sie möchten einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen?

Arbeitnehmer: Ihnen wurde gerade gekündigt und Sie brauchen dringend anwaltliche Hilfe?

Ich berate Sie gerne kurzfristig! Rechtsanwältin Dr. Sabine Reichert-Hafemeister, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schicken Sie eine E-Mail an berlin@reichert.recht.com oder rufen Sie gerne an um einen Beratungstermin im Büro in Berlin-Lichterfelde West (Bezirk Steglitz-Zehlendorf) zu vereinbaren:
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