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Verdachtskündigung versus Tatkündigung und Anhörung des Arbeitnehmers

Steht ein Diebstahl oder eine Unterschlagung des Arbeitnehmers im Raum, so gibt der Arbeitnehmer die Pflichtverstöße häufig nicht zu, er bestreitet sie vielmehr. Der Arbeitgeber hat folglich einen mehr oder weniger dringenden Verdacht gegen den Arbeitnehmer, den er aber oftmals nicht beweisen kann.

  • Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis dann außerordentlich oder ordentlich kündigen, wenn erwiesen ist, dass der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat (sog. Tatkündigung).
  • Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis aber auch dann außerordentlich oder ordentlich kündigen, wenn lediglich ein schwerwiegender Verdacht besteht (sog. Verdachtskündigung).

Insbesondere wenn Straftaten des Arbeitnehmers, wie zum Beispiel ein Diebstahl oder eine Unterschlagung im Raum stehen, sollte der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung genau überlegen, ob er eine Kündigung oder lediglich eine Verdachtskündigung ausspricht. Die Verdachtskündigung unterliegt nämlich strengeren Wirksamkeitsvoraussetzungen als die Tatkündigung. Arbeitgebern ist anzuraten, vor Ausspruch einer solchen Kündigung einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren.

Was der Unterschied zwischen einer Verdachtskündigung und einer Tatkündigung?

Eine Verdachtskündigung kann ausgesprochen werden, wenn der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers besteht. Die Besonderheit besteht darin, dass dieses strafbare bzw. vertragswidrige Verhalten nicht erwiesen, jedoch das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört ist. Entscheidend ist, dass sich die starken Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen stützen lassen und die Verdachtsmomente dazu geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich Vertrauen als zerstört anzusehen.

Eine Tatkündigung kann hingegen ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber davon überzeugt ist, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung bzw. eine Pflichtverletzung begangen hat. Zudem muss dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein. Der Arbeitgeber muss die Verfehlung des Arbeitnehmers somit als sicher hinstellen.

Was muss der Arbeitgeber bei einer Verdachtskündigung beachten?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Sachverhalt vor Ausspruch der Verdachtskündigung möglichst aufzuklären. Grundsätzlich ist er zudem verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Verdachtskündigung anzuhören.

Bei einer sogenannten Tatkündigung muss er zwar ebenfalls den Sachverhalt aufklären. Die Anhörung ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Sie ist bei einer Tatkündigung nicht notwendig.

Abmahnung erforderlich?

Jede Kündigung – und damit auch die Verdachtskündigung muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht vor Ausspruch einer Kündigung abmahnen, wenn eine Straftat im Raum steht.  Bei Bagatellfällen kann jedoch eine vorherige Abmahnung erforderlich sein.

Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Verdachtskündigung

Die Anhörung des Arbeitnehmers ist im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts vom Arbeitgeber durchzuführen. Hierbei hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und auch ihn Entlastendes vorzutragen.

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch bitten, er kann ihm aber auch die Möglichkeit geben, zu den Verdachtsmomenten binnen einer angemessenen Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Diese schriftliche Stellungnahme kann auch durch einen Rechtsanwalt erfolgen. Arbeitnehmern ist anzuraten, sich im Falle einer Anhörung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen.

Wann ist eine Anhörung des Arbeitnehmers entbehrlich?

Grundsätzlich ist die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Verdachtskündigung Wirksamkeitsvoraussetzung. Anders ausgedrückt: kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos oder fristgemäß, weil er einen Verdacht gegen den Arbeitnehmer hat und hat er den Arbeitnehmer zuvor nicht angehört, so ist die Kündigung bereits deshalb unwirksam.

Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen: Die Anhörung ist entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen. Gleiches gilt, wenn dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und sich der Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Frist nicht geäußert hat.

Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Thema des Gesprächs vor der Anhörung mitteilen?

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Februar 2015, Az: 6 AZR 845/13, muss er das nicht. Die Entscheidung betraf zwar ein Ausbildungsverhältnis, kann jedoch auch auf Arbeitsverhältnisse übertragen werden.

Das Bundesarbeitsgericht stützte sich in dieser Entscheidung darauf, dass bei der Themenbekanntgabe vor Durchführung der Anhörung die Gefahr einer Verdunkelung der Tat bestehe. Zudem würde dem anzuhörenden Arbeitnehmer die Gelegenheit entzogen, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Daher sei eine vorherige Themenbekanntgabe grundsätzlich nicht erforderlich.

Nach Auffassung der Richter ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er eine Vertrauensperson (zum Beispiel einen Rechtsanwalt) hinzuziehen kann.

Welche Anforderungen sind an eine Anhörung zu stellen?

Konfrontiert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit völlig unsubstantiierten, subjektiven Vorwürfen, so reicht dies nicht aus.

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vielmehr deutlich machen, aufgrund welcher konkreter Verdachtsmomente er den Verdacht hegt. Damit einhergehend muss er dem Arbeitnehmer mitteilen, welche Pflichtverletzung im Raum steht und wann der Arbeitnehmer diese wo begangen haben soll. Zudem muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass er beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Verdachtsmomente zu kündigen.

Wie oben erwähnt, ist es ratsam, wenn der Arbeitnehmer sich sodann darauf beruft, binnen angemessener Frist eine schriftliche Stellungnahme durch einen Rechtsanwalt abzugeben.

Sind Fristen zu beachten?

Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich, d. h. fristlos kündigen, so hat er die 2-wöchige Ausschlussfrist des § 626 II BGB zu beachten. D. h., er muss, wenn er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis erlangen außerordentlich kündigen.

Diese Ausschlussfrist ist auch auf eine außerordentliche Verdachtskündigung anzuwenden. Der Arbeitgeber muss somit binnen zwei Wochen kündigen, wenn er einen bestimmten Kenntnisstand für ausreichend erachtet, eine fristlose Kündigung wegen Verdachts einer strafbaren Handlung oder wegen einer Straftat auszusprechen.

Da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung aber anhören muss, beginnt die zweiwöchige Ausschlussfrist nach erfolgter Anhörung. Allerdings muss die Anhörung binnen einer Woche nach Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen durchgeführt werden.


Sie sind Arbeitgeber oder Arbeitnehmer und haben Fragen zu diesen oder anderen arbeitsrechtlichen Themen? Sie möchten eine Kündigungsschutzklage erheben? Rechtsanwältin Dr. Reichert-Hafemeister ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie ist ausschließlich auf die Bearbeitung von Arbeitsrechtsangelegenheiten spezialisiert. Sie berät Sie gerne in ihrem Büro in Berlin Lichterfelde-West (Bezirk Steglitz-Zehlendorf). Rufen Sie gerne unter 030 679 665 434 an, um einen Beratungstermin zu vereinbaren. Außerhalb unserer Bürozeiten können Sie uns über unser Kontaktformular erreichen.