Nichterscheinen zum Personalgespräch während AU – verhaltensbedingte Kündigung unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat bereits am 1. September 2015 (Az: 7 Sa 592/14) über einen interessanten Fall entschieden: Die Arbeitnehmerin wurde während ihrer Arbeitsunfähigkeit aufgefordert, zu einem Personalgespräch zu erscheinen. Dieser Aufforderung kam sie nicht nach. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen.
Die Arbeitnehmerin erhob dagegen eine Kündigungsschutzklage, die sie auch gewann.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg gab der Klägerin recht, denn während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Welchen Inhalts das Personalgespräch sei, ist, so die Richter, unerheblich.
Daher: Erscheint der Arbeitnehmer zu einem solchen Personalgespräch nicht und kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis dann ordentlich verhaltensbedingt, so ist diese ordentliche Kündigung unwirksam.
Warum kann der Arbeitgeber ein Personalgespräch anordnen?
Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber ein Personalgespräch anordnen und auch, dass der Arbeitnehmer daran teilnimmt. Dieses Recht ergibt sich für den Arbeitgeber aus einem sogenannten Direktionsrecht (Weisungsrecht), das in § 106 der Gewerbeordnung geregelt ist. Das Direktionsrecht ermöglicht es dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer Weisungen hinsichtlich dem Inhalt, dem Ort und der Zeit der Arbeitsleistung zu erteilen, so sich nicht im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag oder sonstigen gesetzlichen Vorschriften bereits Regelungen befinden.
Allerdings müssen diese Weisungen des Arbeitgebers immer billigem Ermessen entsprechen, d. h. auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen.
Wie haben die Richter das Urteil begründet?
Wenn der Arbeitgeber ein Personalgespräch anordnet, kommt es bei der Frage, ob der Arbeitnehmer zu diesem Personalgespräch erscheinen muss grundsätzlich immer darauf an, was der Anlass des Personalgesprächs ist.
Wenn der Arbeitnehmer jedoch krank ist, gelten Besonderheiten.
Die Richter haben ihre Entscheidung daher wie folgt begründet: Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt und damit wirksam im Sinne des § 1 des Kündigungsschutzgesetzes, wenn der Arbeitnehmer gegen ihm obliegende Pflichten verstoßen hat.
Während der Arbeitsunfähigkeit ist ein Arbeitnehmer jedoch nicht verpflichtet, Arbeitsleistungen zu erbringen. Daher kann der Arbeitgeber einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer keine Weisungen bezüglich seiner Arbeitsleistung erteilen. Dies hatte zur Folge, dass ein erkrankter Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, zu einem Personalgespräch zu erscheinen.
Etwas anderes kann lediglich in Ausnahmefällen gelten nämlich dann, wenn es sich um dringenden, unaufschiebbaren Gesprächsbedarf für den Arbeitgeber handelt. Aber selbst dann muss der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen (sogenanntes billiges Ermessen).
Verhaltensbedingte ordentliche Kündigung war nicht sozial gerechtfertigt
Die Klägerin war somit nicht verpflichtet, zum Personalgespräch zu erscheinen. Sie hatte somit nicht gegen ihr obliegende Pflichten verstoßen, mit der Folge, dass die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt war. Die Kündigung war unwirksam. Daher hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
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